04
Juni

“Dass es sich meines Wissens um ein nie dagewesenes Projekt handelt…”

Herr Schreiber ist Jurist, dessen Tätigkeitsfeld sich über mehrere Jahrzehnte innerhalb der
Niedersächsischen Landesverwaltung erstreckte. Im Zuge des Projekts BRIDGE fungiert er als
externer Dienstleister, wenn es darum geht, relevante Unterlagen von Bewerber:innen aus den
unterschiedlichsten Staaten außerhalb der EU zu prüfen.

Dabei analysiert er, von welchen Institutionen die Kandidat:innen ihre ärztliche Ausbildung bescheinigt bekamen und kontrolliert diese hinsichtlich der Plausibilität und Übereinstimmung der im Antrag gemachten Angaben.
Außerdem ermittelt er, wie im jeweiligen Ausbildungsland die Echtheitsüberprüfung über Nachweise
einer ärztlichen Ausbildung durchgeführt wird.

Seine vorherigen Tätigkeiten prädestinieren ihn für diese Aufgaben, während er zugleich seine
Kompetenzen aus seiner Zeit im Gesundheitsdezernat der Bezirksregierung Hannover mit einbringt
und von den Erfahrungen in leitender Position innerhalb des Niedersächsischen Zweckverbandes zur
Approbationserteilung (NiZzA) profitiert. Seit 2017 ist er mit seiner „schreiberatung“ selbstständig
tätig und betreibt Beratung zu ausländischen Ausbildungen im Gesundheitswesen (Kontakt:
schreiberatung@web.de)

Was finden Sie besonders spannend an der Tätigkeit, die Sie gerade für das Projekt BRIDGE
machen?

Besonders spannend sind aus meiner Sicht mehrere Dinge: Zu sehen, mit welchem Mut und welcher
Energie Menschen bereit sind, in ein anderes Land zu gehen, um sich beruflich weiterzuentwickeln.
Außerdem die Geschichten hinter den Lebensläufen. Schließlich auch zu lernen, an welchen
entfernten Orten der Welt Medizin studiert werden kann.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Hürden, die bei einem solchen
Bewerberverfahren mit Fachkräften aus dem Ausland auftreten und überwunden werden
müssen?

Bezogen auf Ärzt:innen mit Ausbildungen in Drittstaaten treten in den Fällen, in denen sich die
Personen noch im Nicht-EU-Ausland befinden, häufig Komplikationen dahingehend auf, sie erst
einmal überhaupt nach Deutschland zu bekommen (Visaprobleme, die Pandemie). Personen, die
bereits hierzulande sind, haben oft Probleme, Unterlagen aus ihren Herkunftsländern,
Ausbildungsländern oder Ländern, in denen sie zuvor tätig waren, zu erhalten. Aus manchen
Drittstaaten ist es zudem herausfordernd, die notwendige Echtheitsüberprüfung der Nachweise über
eine ärztliche Ausbildung durchzuführen.

Aus welchen Ländern stammen tendenziell die meisten Bewerber:innen?

Von den elf zurzeit am Projekt Teilnehmenden sind je zwei in Syrien, der Ukraine und der Russischen
Föderation geboren, die anderen (je eine Person) im Kosovo, in Kuba, dem Irak, dem Sudan und in
Tunesien.

Was ist Ihnen im Zuge Ihrer gesamten Beratungslaufzeit besonders positiv in Erinnerung?

Ich kann mich an eine Person erinnern, die ich umfänglich beraten habe. Diese hatte keine
abgeschlossene ärztliche Ausbildung im Sinne der BÄO (Bundesärzteordnung), was Voraussetzung für
die Erteilung einer Berufserlaubnis ist.

Geboren in Syrien, studierte sie zunächst Medizin an einer nicht akkreditierten privaten Hochschule in Georgien und der Ukraine.Sie absolvierte weder in der Ukraine noch in Syrien die zum Abschluss der ärztlichen Ausbildung
vorgeschriebene praktische Ausbildung, die in der Ukraine je nach Fachrichtung ein bis drei Jahre
dauert.

Das Positive daran war, dass diese Person, die sich nun in Deutschland befindet, eine Perspektive hat,
indem sie zunächst vollumfänglich ihre Deutschkenntnisse erweitern kann. Anschließend hat sie die
Möglichkeit, sich an einer deutschen Universität um einen Studienplatz in Medizin zu bewerben und
Teile ihres in der Ukraine absolvierten Studiums angerechnet zu bekommen. Wenn diejenige Person das alles
schaffen sollte, könnte sie in den nächsten vier Jahren die deutsche Approbation erhalten. Diese
Perspektive war der Person zuvor nicht bewusst und eröffnet ihr dadurch nun völlig neue Wege.

Was reizt Sie persönlich am meisten, das Projekt BRIDGE zu begleiten?

Dass es sich meines Wissens um ein nie dagewesenes Projekt handelt, Ärzt:innen mit im Ausland
absolvierter medizinischer Ausbildung vornehmlich an Hausarztpraxen im ländlichen Bereich zu
vermitteln, mit dem Ziel, diese nach Erteilung der Approbation und erfolgreicher
Facharztweiterbildung übernehmen zu können. Angesichts des Hausärzt:innenmangels ist das von
großer Bedeutung.

Dazu kommt die Begleitung bei der Wohnungssuche, der intensiven
Unterstützung behördlicher Verfahren (Ausländerbehörde, Meldebehörde, Job-Center,
Approbationsbehörde) bis zum detaillierten Traineeprogramm sowie der Vorbereitung auf die
Fachsprach- und Kenntnisprüfung. Zumindest hinsichtlich des Approbationsverfahrens hoffe ich,
meine Erfahrungen und Kenntnisse unterstützend und steuernd einbringen zu können.

Wo treten vor allem im operativen Geschäft während des Bewerberverfahrens
Schwierigkeiten auf?

Ich kann mich nur auf das Verfahren zur Erteilung der Approbation beziehen, was bedeutet, dass ich
nur Bewerber:innen betrachten kann, die bereits für das Projekt ausgewählt wurden. Schwierigkeiten
ergeben sich häufig bei der Beschaffung benötigter Unterlagen und der Plausibilität von Angaben
durch die Bewerber:innen. Wenn beispielsweise ein aktueller, lückenloser, tabellarischer und
chronologischer Lebenslauf in deutscher Sprache gefordert wird, so überfordert das manche
Bewerber:innen und es benötigt Unterstützung, um einen solchen zu erstellen.

Welche Auswirkungen haben die genannten Schwierigkeiten aus Frage 6 auf das Konstrukt
und das System BRIDGE?

Das kann ich noch nicht genau sagen. Wenn beispielsweise vorausgesetzt wird, dass Bewerber:innen
zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Programm beginnen können, sie sich aktuell aber noch im
Ausland befinden, könnte die in BRIGE geplante zeitliche Abfolge ins Wanken geraten. Passieren
kann dies auf Grund der Pandemie oder wegen Problemen hinsichtlich der Visabeschaffung, was eine
Einreise erschwert.

Was sind die häufigsten „Fehler“, die Bewerber:innen unterlaufen?

Gerade denjenigen, die noch nicht mit den behördlichen Abläufen in Deutschland vertraut sind, fällt
es nicht leicht, Anforderungen, die sie z. B. hinsichtlich der Antragsunterlagen für ein
Approbationsverfahren erfüllen müssen, umzusetzen. Es schleichen sich auch Fehler in
Antragsunterlagen ein, die die Bewerber:innen selbst ausfüllen sollen.

Das führt zu Unklarheiten und Nachfragen, die bei korrekter Bearbeitung der Unterlagen nicht notwendig wären. Es fällt manchen schwer, die richtige Institution in ihrem Ausbildungsland für die Erteilung der Haager Apostille (eine
Form der Echtheitsüberprüfung von Urkunden) zu finden.

Welche Aufgaben übernehmen Sie, wenn das Bewerberverfahren abgeschlossen und das
Projekt in vollem Gange ist?

Meine mit der care pioneer GmbH geschlossene Dienstleistungsvereinbarung ist vorerst bis Ende Juni
2021 befristet. Meine Beratung wird dann enden, wenn alle Bewerber:innen ihre Antragsunterlagen
bei NiZzA abgegeben haben. Ich hoffe auf eine Fortsetzung bzw. Ausweitung des Projekts, um meine
Expertise weiterhin einbringen zu können.

Weshalb würden Sie das Projekt BRIDGE weiterempfehlen und was wünschen Sie sich
hinsichtlich dessen für die Zukunft?

Ich würde es Ärzt:innen mit im Ausland absolvierter Ausbildung weiterempfehlen. Es ist eine sehr
gute Chance, in die hausärztliche Versorgung Deutschlands einzusteigen. BRIDGE garantiert durch
das Traineeprogramm und die engmaschige Begleitung in allen Lebenslagen eine gute Vorbereitung
darauf. Ebenso würde ich es Hausärzt:innen empfehlen, weil es auch für sie eine gute Chance bietet,
passende Nachfolger:innen zu finden. Zudem würde ich es politisch Verantwortlichen aus dem
ländlichen Raum weiterempfehlen, mit diesem Konzept gegen den Hausärztemangel zu kämpfen.