14
Juni

“Dieser Wille, diese Disziplin”

Frau Kurpgoweit ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Oldenburg tätig (European Medical School/EMS). Als kompetente Allgemeinmedizinerin ist sie durch ihre Tätigkeit an der EMS prädestiniert für die Zusammenarbeit des Projektes BRIDGE, da sie hier ihre Erfahrungen aus diversen Auslandsaufenthalten integrieren kann.

Wie kamen Sie dazu, das Projekt aktiv zu begleiten?

Die care pioneers GmbH standen mit meinem Chef, Prof. Michael Freitag, bezüglich einer Kooperation im
Projekt BRIDGE zwischen ihnen und der Uni Oldenburg in Kontakt. Prof. Freitag sprach mich an, ob ich mir
vorstellen könnte, das Projekt unsererseits zu betreuen. Da mich BRIDGE sehr interessierte und ich auch
noch Stundenkapazitäten hatte, habe ich zugesagt.

Was genau sind Ihre Aufgaben in Bezug auf BRIDGE?

Ich habe ein Curriculum ausgearbeitet, angelehnt an die Staatsexamens-Prüfung unserer
Medizinstudierenden, um die Trainees bestmöglich auf die Kenntnisprüfung zur Erlangung der
Approbation vor der Ärztekammer Niedersachsen vorzubereiten. So werden die Trainees nach dem
didaktischen Prinzip des Problemorientierten Lernens in Online-Seminaren betreut. Es obliegt mir, die
Dozenten für die Themen zu finden. Selbst bin ich dabei ebenfalls als Dozentin tätig.
Während des gesamten Projekts bin ich zudem Ansprechpartnerin sowohl für die Praxen als auch für die
Trainees selbst, wenn es um das Thema Ausbildung geht. Darüber hinaus möchten wir als
wissenschaftlicher Part natürlich auch innerhalb des Projekts im Bereich der Lehr- und
Versorgungsforschung tätig sein und unsere Ergebnisse publizieren.

Was finden Sie besonders spannend an der Tätigkeit, die Sie gerade für das Projekt BRIDGE
machen?

Das Jahr 2020 diente der Projektplanung und der Vorbereitung, was mit viel Fleißarbeit verbunden war.
Nun ist BRIDGE in vollem Gange, so dass ich die Trainees bereits in 3 Crash-Seminaren auf ihre ersten Tage
in einer deutschen Allgemeinarztpraxis vorbereiten konnte. Das finde ich wirklich sehr spannend und
interessant. Jetzt bin ich natürlich auf die ersten Berichte gespannt, die sich auf das aktuelle Arbeitsleben
der Trainees, aber auch auf das der Traineepraxen beziehen.

Gibt es etwas, was Sie bei den Trainees besonders/verstärkt beobachten? Beispielsweise:
Haben alle ein vergleichbares Level an medizinischen Kenntnissen, wenn Sie bei BRIDGE
starten?

Ich bin begeistert über die Motivation und Disziplin der Trainees. Alle möchten wirklich wieder als
Ärzt:innen arbeiten. Man merkt, dass es einfach deren Berufung ist. Dass sie für den Arztberuf brennen,
haben sie alle in unseren Auswahlgesprächen verdeutlicht. Ich bin so beeindruckt über die bereits
vorhandene Kompetenz hinsichtlich der deutschen Sprache.
Das Level der medizinischen Kenntnisse ist nicht so einfach zu beurteilen, da die Trainees aus
unterschiedlichen medizinischen Fachbereichen kommen und daher unterschiedliche Berufserfahrungen
gesammelt haben. Ich denke, dass sie bei der Vorbereitung auf die Approbationsprüfung alle auf einer
Stufe anfangen.

Können Sie mir einen Fall/ein Erlebnis schildern, der/das Ihnen besonders positiv in Erinnerung
ist?

Es gibt einige Trainees, die beispielsweise lange nichts vom Projekt BRIDGE gewusst haben. Trotzdem
haben sie auf eigene Faust in ihren Heimatländern Deutsch-Kurse besucht und nebenbei ihre 24-StundenSchichten abgearbeitet. Deren Traum ist es einfach, nach Deutschland kommen und hier als Mediziner:in
arbeiten zu können. Dafür haben sie, auch ohne vom Projekt zu wissen, alles getan. Das hat mich sehr
beeindruckt – dieser Wille und diese Disziplin.

Was reizt Sie persönlich am meisten, das Projekt BRIDGE zu begleiten?

Ich habe selbst im Ausland gearbeitet und wurde dort immer sehr gut aufgenommen. Man hat sich
gekümmert und wurde sehr schnell ein Teil der dortigen „Familie“. Das möchte ich gerne zurück geben.
2015 habe ich als Ärztin in einer Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge gearbeitet und dort Menschen
kennengelernt, die Kollegen*innen waren. Sie hatten alles verloren und mussten hier von ganz vorne
anfangen. Das ist mir damals schon sehr nahe gegangen. Vor allem ist es aber Teil eines jeden
medizinischen Eids: Ob Hippocrates oder das Genfer Gelöbnis. Ärzt:innen haben sich untereinander als
Standesgeschwister zu kümmern. Das nehme ich sehr ernst!

Weshalb ist das Projekt gerade für Sie und die Universität Oldenburg von großer Bedeutung?

Als Abteilung für Allgemeinmedizin sind wir an der Uni Oldenburg in der glücklichen Lage, bereits vom
ersten Jahr des Medizinstudiums an, sehr präsent in der Lehre und den Praktika zu sein. Damit verfolgen
wir natürlich das Ziel, den Studierenden das Fach Allgemeinmedizin so schmackhaft wie möglich zu
machen. Im Idealfall entscheidet sich jemand für diese anspruchsvolle Facharztspezialisierung und wir
können dem Hausärzt:innenmangel ein wenig entgegenwirken.
Wir versuchen stets dem Landärzt:innenmangel entgegen zu wirken – da war das Projekt BRIDGE für uns
wie gemacht: Auf der einen Seite haben wir zugewanderte Kolleg:innen, die durch die bürokratischen
Hürden zum Nichts-Tun verdammt sind und gerne in ihrem Beruf arbeiten möchten. Auf der anderen
Seite steht der Hausärzt:innenmangel im ländlichen Raum, dem dringen entgegengewirkt werden muss.

Sie sind selbst Allgemeinmedizinerin, was überzeugt Sie an BRIDGE am meisten, dieses Projekt
aus voller Überzeugung zu unterstützen?

Ich sehe diese große und ungenutzte Ressource der durch die Bürokratie oder eigener Unscherheit zur
Untätigkeit gezwungenen zugewanderten ärztlichen Kolleg:innen. Mit Hilfe eines Projekts wie BRIDGE
bekommen sie die Chance, sich eine neue Existenz aufzubauen und ein wichtiger sowie ein angesehener
Teil unserer Gesellschaft zu werden. In diesem Zuge sehe ich eine große Chance den Menschen im
ländlichen Raum ihre nahegelegenen Hausärzt:innen zu sichern.

Weshalb würden Sie das Projekt BRIDGE weiterempfehlen und was wünschen Sie sich
hinsichtlich dessen für die Zukunft?

Wir befinden uns noch am Anfang unseres Projekts und so wird sich auch hoffentlich in den nächsten
Wochen und Monaten BRIDGE auch in der Praxis bewähren. Wenn es das tut – und das erhoffe ich mir,
wird es mich sehr freuen, wenn weitere Landkreise und Kommunen auf diesen Zug mit aufspringen. Das
heißt: Das Projekt finanzieren, so dass wir auch über die Grenzen Niedersachsen hinaus die ländlichen,
hausärztlich unterversorgten Regionen mit Hilfe von BRIDGE mit unseren zugewanderten Kolleg:innen
bereichern können.